Samstag, 4. März 2017

Völlig losgelöst: Die exzessiven Gehälter und Vergütungen der ehrenwerten Manager-Gesellschaft oder wenn der Boss 141-mal so viel wie seine Angestellten verdient!

Die Bezüge von Top-Managern haben sich von normalen Arbeitnehmergehältern abgekoppelt. Im Wahlkampf will die SPD das zum Thema machen. Doch so recht traut sich niemand an das Problem ran. Warum auch? Alles doch genehmigt und gebilligt von Politikern, die in Aufsichtsräten sitzen. Alle in einem Topf! Denn die Herrschaften verdienen ja auch nicht schlecht: Diäten, steuerfreie Zulagen, kostenlose Bahnfahrten und Flüge, hohe Renten und Abfindungen und so weiter und sofort ... Da hackt doch einer Krähe der Anderen nicht die Augen aus - oder? Wie konnte es passieren, dass sich die Gehälter der Top-Manager in den vergangenen Jahrzehnten so von der Realität in den Unternehmen abkoppelten? Und wer muß das Alles erwirtschaften? Richtig - Du - der dämliche Arbeiter!

SPD-Politiker Schulz, damaliger VW-Vorstandschef Winterkorn (Februar 2013). Alle in einem Boot und jetzt das Wahlkampfgetöse? Bildquelle xing-news.com

Bei VW langten sie mal wieder am kräftigsten zu. Mehr als 12 Millionen Euro kassiert Christine Hohmann-Dennhardt für gerade einmal 13 Monate Arbeit. Dabei sollte die ehemalige Verfassungsrichterin im Konzernvorstand eigentlich für Integrität zuständig sein. Und dann solche Summen!

Oder Ex-Vorstandsboss Martin Winterkorn: Schon zu aktiven Zeiten kassierte er zeitweise bis zu 17 Millionen Euro pro Jahr. Nachdem er im Zuge der Dieselaffäre seinen Posten räumen musste, bekommt er als Ruhegehalt nun 3100 Euro - am Tag. Von solch einer Rente können normale Volkwagen-Mitarbeiter nur träumen. Und leider müssen Arbeiter entlassen werden ...

Angesichts solcher Exzesse ist es kein Wunder, dass die Politik die Managervergütung als Wahlkampfthema entdeckt hat. Allen voran die klassenkämpferisch wiedererstarkte SPD unter Führung von Martin Schulz.Die hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Selbstbedienungsmentalität zu beenden.

Da sei "etwas aus dem Ruder gelaufen", schimpft Schulz - und schlägt allerlei Anreize und Möglichkeiten für Unternehmen vor, die Gehälter ihrer Vorstände zu beschneiden. Die Frage ist: Was kann Schulz mit seinen Vorschlägen eigentlich wirklich erreichen? Denn vor dem wirklich wirksamen Mittel, einer gesetzlichen Deckelung, schreckt auch die SPD zurück.

Gehälter von Konzernchefs gehen durch die Decke

Die Gehälter von Top-Managern in Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren exorbitant gestiegen. Noch Mitte der Neunzigerjahre verdiente ein Vorstand eines Dax-Unternehmens laut einer älteren Studie der Berliner Humboldt-Universität (HU) im Schnitt gut 500.000 Euro. Im Jahr 2007 war die Zahl schon auf knapp drei Millionen Euro gestiegen.

Gesellschaftlich und politisch noch relevanter ist allerdings ein anderer Aspekt als die absolute Höhe der Gehälter: nämlich das Verhältnis zum Normalverdiener. Während die Vorstandsbezüge in den Neunziger- und Nullerjahren nach oben schossen, stagnierten die Löhne und Gehälter vieler Bürger - was dazu führte, dass sich die Top-Manager immer weiter von den normalen Mitarbeitern entfernten.

1995 war die durchschnittliche Vergütung eines Dax-Vorstandsmitglieds 14-mal so hoch wie die eines normalen Angestellten. 2007 war die Relation laut HU-Studie schon auf das 54-Fache gestiegen. Seit der Finanzkrise 2008 hat sich der Anstieg der Vorstandsgehälter zwar deutlich verlangsamt. Doch von Bescheidenheit ist man auch danach in den meisten Führungsetagen noch weit entfernt.

"Viele Unternehmen gehen immer noch zu entspannt mit dem Vergütungsthema um", sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Immer wieder höre er von den Konzernen den Vergleich mit den USA, wo die Vorstandschefs noch deutlich mehr verdienen als hierzulande. Deutsche Top-Manager könnten bei niedrigeren Gehältern gleich reihenweise nach Übersee abwandern, heißt es oft. Speich zweifelt an diesem Argument. "Es ist die Frage, wer dort überhaupt einen Job bekäme", sagt er.

Unausgesprochener Nichtangriffspakt

Wie konnte es passieren, dass sich die Gehälter der Top-Manager in den vergangenen Jahrzehnten so von der Realität in den Unternehmen abkoppelten?

Tatsächlich war es wohl eine Art unausgesprochener Nichtangriffspakt: Die Aufsichtsräte, die die Unternehmenschefs kontrollieren sollen und eigentlich für die Vorstandsvergütung zuständig sind, kungelten allzu oft allzu eng mit den Top-Managern. Weder die Eigentümer der Unternehmen noch die Politiker schienen sich sonderlich darum zu scheren, dass die Bezüge immer weiter in die Höhe schossen.

Am deutlichsten wird das wieder am Beispiel VW, wo im Aufsichtsrat nicht nur besonders mächtige Gewerkschafter und Betriebsräte sondern auch zwei Vertreter des Bundeslands Niedersachsen sitzen, einer davon ist gar Ministerpräsident Stephan Weil.

Niedersachsen ist bei VW Großaktionär. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern besitzt das Land sogar eine Mehrheit im Aufsichtsrat. Dennoch kam es gerade bei VW immer wieder zu Exzessen - siehe Winterkorn und Hohmann-Dennhardt.

Im SPIEGEL-Interview wurde IG-Metall-Chef und VW-Aufsichtsrat Jörg Hofmann jüngst genau darauf angesprochen. Seine lapidare Antwort: Der Aufsichtsrat müsse bestehende Verträge zu Gehältern erfüllen. Machen könne man da leider nichts. Dass die Kontrolleure selbst genau diese Verträge zuvor abgenickt hatten, scheinen Hofmann und seine Kollegen einfach auszublenden.

Wenn der Boss 141-mal so viel wie seine Angestellten verdient

Bei Volkswagen ist denn auch die Gehaltsspreizung zwischen Top-Management und Durchschnittsmitarbeiter mit Abstand am höchsten. Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erhielten Vorstände im Jahr 2014 das 141-Fache des VW-Durchschnittsbeschäftigten.

Erst jetzt, unter dem Druck der jüngsten Skandale, hat der Aufsichtsrat eine Reform des Vergütungssystems beschlossen. Demnach soll der Vorstandschef künftig höchstens zehn Millionen Euro im Jahr verdienen, einfache Vorstandsmitglieder maximal 5,5 Millionen. Für einen Krisenkonzern wie Volkswagen sind auch das noch enorme Summen.

Anderswo indes wird noch immer kräftig zugelangt: So genehmigte der Aufsichtsrat des Softwarekonzerns SAP seinem Vorstandschef Bill McDermott für 2016 jüngst rund 14 Millionen Euro Gehalt - und damit fast drei Mal so viel im Jahr zuvor. Die Vergütung sei "so bemessen, dass sie international wettbewerbsfähig" sei, ließ der Konzern mitteilen.

Die Beispiele zeigen: In Aufsichtsräte sollte man besser keine allzu große Hoffnungen setzen, wenn es darum geht, Gehaltsexzesse zu vermeiden.

Aktionäre sollen über Managergehälter abstimmen

Die Politik will denn auch eine andere Gruppe stärker in die Pflicht nehmen: die großen Investoren, also zum Beispiel Vermögensverwalter, Fondsgesellschaften oder Versicherungen. Aber auch einfache Aktionäre.

Auch die hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten meist eher vornehm zurückgehalten, wenn es um die teilweise horrenden Bezüge von Konzernchefs ging. Dabei haben sie eigentlich ein ureigenes Interesse daran, die Managergehälter nicht ausufern zu lassen: Schließlich bleibt dann umso mehr vom Gewinn übrig, der als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann.

Doch wer niedrige Managergehälter in anderen Unternehmen fordert, muss diesen Maßstab eben auch im eigenen Haus anlegen. Schon daran scheiterte oft eine klare Haltung. Nun aber beginnen Investoren umzudenken - und bekommen dazu noch Rückenwind von der Politik.

Nach jahrelangem Hickhack soll auf europäischer Ebene noch in diesem Jahr eine EU-Richtlinie verabschiedet werden, die die Rolle der Investoren stärkt: Sie sieht vor, dass Aktionäre auf der Hauptversammlung eines Unternehmens über die Vorstandsvergütung abstimmen dürfen - so, wie es hierzulande im Kern SPD und Union bereits vorgeschlagen haben. Für die Umsetzung in nationales Recht haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit.

Wenig Chancen für die große Gehaltsrevolution

Wie stark die Investoren ihre neue Macht nutzen werden, bleibt allerdings offen. Denn auch auf den Hauptversammlungen haben eben vor allem die Großaktionäre das Sagen. Und diese sind eben allzu oft große Fonds, die meist eher kurzfristige Profite anstreben, anstatt langfristige Ziele wie Lohngerechtigkeit und Betriebsfrieden zu verfolgen.

Entsprechend verhalten sind die Reaktionen auf die Forderungen von SPD und Co. Eine explizite Höchstgrenze halte man zwar für sinnvoll, sagt Union-Investment-Vertreter Speich. Sie solle aber vom Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens vorgeschlagen werden.

"Anders als die Politik oder die Investoren hat der Aufsichtsrat detaillierten Einblick in die Steuerungssysteme des Unternehmens", argumentiert Speich. Auch bei der Frage der Haftung sieht er das Kontrollgremium in der Pflicht. "Der Aufsichtsrat muss für seine Entscheidungen geradestehen."

Etwas mehr Druck und etwas mehr Transparenz scheint also möglich zu sein - die große Gehaltsrevolution eher nicht. Es sei denn, die Politik ringt sich doch noch zu gesetzlich verordneten Höchstgrenzen durch. Ob das sinnvoll wäre, ist eine andere Frage.

Fazit: Die Vorstandsgehälter in Deutschlands großen Konzernen haben teilweise den Bezug zur Realität verloren. Die Aufsichtsräte haben die Exzesse oft mindestens geduldet. Nun sollen die Investoren mehr Einfluss bekommen. Doch auch das dürfte nur zu kleineren Veränderungen führen.

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